Es ist ein großer Erfolg und eine kleine Enttäuschung zugleich: Nach fünfjähriger Arbeit konnten Physiker am Forschungszentrum CERN am Dienstag dem internationalen Fachpublikum eine Hochpräzisionsmessung der Masse des W-Bosons vorstellen. Lange Zeit ging die Fachgemeinschaft davon aus, dass solche Messungen am Large Hadron Collider (LHC), dem großen Teilchenbeschleuniger des CERN, nur sehr schwer möglich sein würden. Der Erfolg dieser hochgenauen Messung wird nur durch den kleinen Wermutstropfen getrübt, dass das Ergebnis bisher keinen Hinweis auf eine neue Physik liefert, die über das Standardmodell der Teilchenphysik hinausgeht.
Das W-Boson ist ein Elementarteilchen, das 1983 am CERN entdeckt wurde und das für die Vermittlung der sogenannten schwachen Wechselwirkung verantwortlich ist. Durch die genaue Bestimmung seiner Masse sind indirekte Rückschlüsse auf die Eigenschaften des Higgs-Bosons möglich, das 2012 ebenfalls am CERN entdeckt wurde. Das Higgs-Teilchen galt als das letzte fehlende Puzzlestück im Zoo der Elementarteilchen nach dem derzeit geltenden Standardmodell. Würde die Masse des W-Bosons signifikant von den vorhergesagten Werten abweichen, würde dieses Modell entscheidend in Frage gestellt und die Wissenschaftler erhielten Hinweise auf noch unbekannte Physik.
Die nun vorgestellte Messung erreicht eine Präzision von 0,2 Prozent und zählt damit zu den genausten Einzelmessungen, die jemals erzielt wurden. Die Messung wurde von der ATLAS-Kollaboration veröffentlicht, einem Zusammenschluss von mehr als 3000 Wissenschaftlern aus der ganzen Welt, die den ATLAS-Detektor am LHC konstruiert haben und seit 2008 betreiben. Lediglich eine Messung am Tevatron-Beschleuniger in der USA erreicht eine ähnliche Genauigkeit. „Nach vielen Jahren Arbeit und vielen unerwarteten Problemen sind wir nun alle sehr stolz auf dieses Ergebnis. Bei einer solchen Messung muss man auf die Expertise und die Zusammenarbeit der gesamten Kollaboration vertrauen können“, sagt Prof. Dr. Matthias Schott von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zu den Ergebnissen. Der Teilchenphysiker war mit seiner Arbeitsgruppe wesentlich an der Messung beteiligt. Die Forschungsarbeit wurde sowohl von der VolkwagenStiftung als auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.
Die Messung gilt als eine der komplexesten Studien am Large Hadron Collider, dem weltweit größten Teilchenbeschleuniger. Hierzu wurden zwei Teilchenstrahlen mit Protonen bei 7 Teraelektronenvolt (TeV) zur Kollision gebracht. Zum einen muss für die Messung der 45 Meter lange und 22 Meter hohe ATLAS-Detektor auf wenige tausendstel Millimeter genau geeicht werden. Zum anderen müssen die Physiker die innere Struktur der kollidierenden Protonen und die Mechanismen, die zur Entstehung von W-Bosonen führen, sehr gut theoretisch und experimentell verstehen, um die geplante Genauigkeit der Massenmessung erreichen zu können.
„Die von uns gemessene Masse des W-Bosons bestätigt die Konsistenz des Standardmodells der Teilchenphysik. Vielleicht hätten wir uns aber noch viel mehr gefreut, wenn wir eine Abweichung entdeckt hätten und so Anzeichen für etwas Neues hätten finden können“, merkt Matthias Schott an. „Allerdings haben wir in den letzten Jahren nur die Kollisionen aus dem Jahr 2011 analysiert und so bin ich optimistisch, dass wir die Genauigkeit noch erheblich verbessern können. Immerhin haben wir inzwischen schon mehr als zehn Mal so viele Daten von W-Boson-Ereignissen aufgezeichnet.“ Vielleicht treten dann in Zukunft noch ganz neue Erkenntnisse zutage, die neue Hinweise zum Verständnis des Universums beitragen.
Matthias Schott ist seit 2013 Lichtenberg-Professor für Experimentelle Teilchenphysik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die Professur wird von der VolkswagenStiftung gefördert und befasst sich schwerpunktmäßig mit Fragen zum Ursprung der Masse von Elementarteilchen, insbesondere mit der hochpräzisen Messung der Masse von W-Bosonen.
Abb.:
<link http: www.uni-mainz.de bilder_presse>
www.uni-mainz.de/bilder_presse/08_physik_etap_atlas_w-boson_01.jpg
Aufgezeichneter Zerfall eines W-Bosons mit dem ATLAS-Detektor am LHC: Für die Bestimmung der W-Boson-Masse wurden mehr als 10 Millionen Ereignisse dieser Art vermessen und untersucht.
Abb./©: ATLAS Collaboration
Weitere Informationen:
Jun.-Prof. Dr. Matthias Schott
Experimentelle Teilchen- und Astroteilchenphysik (ETAP)
Institut für Physik
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-25985
E-Mail: <link>mschott@cern.ch<link http: www.etap.physik.uni-mainz.de>
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Weitere Links:
<link http: www.uni-mainz.de presse>
www.uni-mainz.de/presse/52902.php
(Pressemitteilung vom 14.08.2012 „Neue Emmy Noether-Nachwuchsgruppe untersucht Beitrag von W-Bosonen zum Aufbau der Materie”)<link https: www.youtube.com>
(GRC Faces of Excellence: Matthias Schott and his particle collisions)<link https: cds.cern.ch record>
(ATLAS Note zur Messung der Masse von W-Bosonen)