Die Universitätsmedizin Mainz hat ein Interprofessionelles Studienzentrum für Bewegungsforschung (SZB) zur ganzheitlichen Betrachtung des Menschen in der Bewegung gegründet. Insbesondere das Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie (ZOU) und das Institut für Physikalische Therapie, Prävention und
Rehabilitation (IPTPR) der Universitätsmedizin Mainz betreiben in dessen Rahmen gemeinsame bewegungswissenschaftliche Forschung. Ziel der neuen Einrichtung ist es, Bewegungsstörungen besser zu verstehen und so neuartige Formen der Diagnostik und Therapie für verschiedene Erkrankungen des Bewegungsapparates entwickeln zu können.
Wie lassen sich Rückenschmerzen oder auch Wirbelsäulenfehlbildungen besser diagnostizieren und behandeln? Welchen Einfluss haben Hüft- und Kniegelenksarthrosen auf individuelle Bewegungsmuster und die Funktionstüchtigkeit der Wirbelsäule? Welche Erkenntnisfortschritte lassen sich für die Bewegungswissenschaft durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) erzielen? „Bewegung in all ihren unterschiedlichen Kontexten – das ist der Forschungsgegenstand unseres neuen Studienzentrums“, erläutert Dr. Ulrich Betz, Direktor des Instituts für Physikalische Therapie, Prävention und Rehabilitation (IPTPR) der Universitätsmedizin Mainz und einer der beiden Initiatoren.
Der zweite Initiator und Direktor des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie (ZOU), Univ.-Prof. Dr. Philipp Drees, ergänzt: „Wir wollen mit diesem Studienzentrum über die regionalen Grenzen hinaus Versorgungsqualität und Genesung der Patienten mit Bewegungsstörungen fördern und so deren Mobilität und Lebensqualität steigern.“
Unter der Leitung von Dr. phil. Jürgen Konradi vom IPTPR werden sich im Studienzentrum Mediziner, Physio- und Ergotherapeuten sowie Logopäden, Vertreter anderer Heilberufe und Sportwissenschaftler intensiv mit dem gesunden und krankhaften Bewegungsverhalten des Menschen auseinandersetzen. Das Spektrum der wissenschaftlichen Arbeiten soll von der Grundlagenforschung bis hin zu praxisorientierten Forschungen reichen. Dabei wollen die Wissenschaftler auch die künstliche Intelligenz zur Auswertung der Studiendaten für ihre Forschungen nutzen. Ziel des neuen Studienzentrums ist es, Störungen des menschlichen Bewegungssystems besser zu erkennen und zu verstehen. Darüber hinaus gilt es, neue Methoden der Diagnostik und Therapie zu entwickeln.
„Erkrankungen des Bewegungssystems und insbesondere Rückenschmerzen zählen in Deutschland zu den größten Gesundheitsproblemen. Sie sind sowohl in epidemiologischer, medizinischer als auch in gesundheitsökonomischer Hinsicht von herausragender Bedeutung. Daraus resultiert für diesen Forschungsbereich eine hohe Relevanz“, betont der Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann, beim heutigen Start des neuen Studienzentrums. Und ergänzt: „Als Dekan freut es mich zudem, dass durch das neue Studienzentrum zusätzliche akademische Qualifikationsmöglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses
entstehen.“
Ein zentrales Element des neuen Studienzentrums wird das sogenannte „MotionLab“ sein. Mithilfe dieses technologisch hochentwickelten Labors zur dynamischen Bewegungsanalyse untersuchen die Experten, inwieweit es möglich ist, jedes einzelne Segment der Wirbelsäule dreidimensional während des Gehens auf einem Laufband ohne den Einsatz von radioaktiver Strahlung darzustellen. Hierfür vermisst das System synchron die segmentale Wirbelsäulenbewegung und die Bewegungen des Beckens, der Beinachsen sowie der Füße und den Fußdruck eines Menschen. Dadurch können die Experten die Wirbelsäule und ihre Funktionsfähigkeit rekonstruieren, die Bewegung jedes einzelnen Wirbelsäulen-Segmentes dreidimensional analysieren und somit das Verhältnis zwischen den einzelnen Gangphasen und den jeweiligen Wirbelkörperpositionen beurteilen. Die so gewonnenen Erkenntnisse dienen der Grundlagenforschung und sollen eine optimierte individuelle klinische Diagnostik und Therapie ermöglichen.
Neben den biomechanischen Aspekten der Bewegung bildet die Rehabilitations- und Versorgungsforschung ein weiteres zentrales Element des neuen Studienzentrums. Dabei geht es letztlich darum, die Mobilität und damit die Lebensqualität der Patienten zu steigern. Ein Paradebeispiel hierfür ist das aktuell laufende und vom Innovationsfonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geförderte PROMISE-Projekt, ein multizentrisches Forschungsprojekt zur Prozessoptimierung in der Versorgung von Patienten mit Hüft- und Knieendoprothese, das den kompletten Behandlungsweg – von der Erstuntersuchung über den operativen Eingriff bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus und darüber hinaus – erfasst.