Bei der Analyse des Windhund-Erbguts, die das Bioscientia Institut und das LOEWE-Zentrum TBG gemeinsam vornahmen, kam eine neue Technologie zum Einsatz: Ganze Genome werden sehr präzise und in langen Abschnitten, sogenannten „long reads“, sequenziert. Am Beispiel des Windhundes, eines der schnellsten Landtiere, gelang dies in Rekordzeit. Dies ist nicht nur ein
technischer Erfolg, sondern wurde auch als symbolisches Projekt initiiert, um der Herausforderung des Artensterbens zu begegnen.
" Wir zeigen, dass wir vollständige Genominformationen in wenigen Tagen – und nicht Monaten – erhalten und analysieren können“, erklärt Prof. Dr. Hanno Bolz, Leiter der Humangenetik bei Bioscientia. Die neuartige Kooperation der Bioscientia-Humangentier*innen mit dne Forscher*innen des LOEWE-Zentrum TBG setzt damit einen neuen Maßstab und stellt ein effektives Instrument für dieBiodiversitätsforschung bereit.
Zügige Analyseergebnisse sind für den Schutz bedrohter Arten zunehmend wichtig, denn Zeit ist angesichts des schnellen Biodiversitätsverlusts mittlerweile ein entscheidender Faktor. „Mit
solchen Projekten können wir wichtige genetische Informationen für bedrohte Arten schnell verfügbar machen. Das hilft uns nicht nur dabei, ihre evolutionären Anpassungen zu verstehen, sondern auch, gezielte Schutzmaßnahmen zu entwickeln“, berichtet Dr. Carola Greve, Laborleiterin am LOEWE-Zentrum TBG. Über das Windhund-Projekt hinaus wird in Kürze eine gemeinsame Studie der beiden Forschungspartner über den vom Aussterben bedrohten Gartenschläfer publiziert. Zahlreiche weitere gemeinsame Sequenzierungsprojekte laufen bereits.
In der Abteilung für Humangenetik des Bioscientia Instituts analysieren rund 100 Expert*innen jährlich tausende Genome sowie die proteinkodierenden Regionen von Genomen, sogenannte
Exome, um die Ursachen seltener genetischer Erkrankungen von Patient*innen aus der ganzen Welt zu klären. Die innovative „long read“-Genomsequenzierung, die beim Windhund verwendet wurde, setzt Bioscientia als erstes Labor überhaupt bereits in der humangenetischen Diagnostik ein. Genetische Erkrankungen des Menschen können so effizienter identifiziert werden, was auch die Behandlungsmöglichkeiten maßgeblich verbessern kann.
Die Wissenschaftler*innen am LOEWE-Zentrum TBG, das bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main angesiedelt ist, entschlüsseln Genome vieler nicht-menschlicher Organismen, von Bakterien bis zu Walen. Diese Informationen liefern wertvolle Informationen über – oft gefährdete – Pflanzen und Tiere sowie Einblicke in ihre biologischen Beziehungen, Evolution und Anpassungen an Umweltbedingungen. Grundlagen- und angewandte Forschung, einschließlich Naturschutzmanagement, profitieren davon.
Publikation in GigaByte:
Marcel Nebenführ, David Prochotta, Alexander Ben Hamadou, Axel
Janke, Charlotte Gerheim, Christian Betz, Carola Greve, Hanno J.
Bolz
“High-speed whole-genome sequencing of a Whippet: Rapid
chromosome-level assembly and annotation of an extremely fast
dog’s genome”
https://doi.org/10.1101/2024.08.16.608262
Das LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG) vereint Forschende in Hessen, die die genetische Basis der biologischen Vielfalt untersuchen. Sie sequenzieren und analysieren die genomische Diversität quer durch den Baum des Lebens (Flechten, Pilze, Pflanzen und Tiere), um sowohl den Ursprung als auch die funktionellen Anpassungen der Vielfalt von Genen bis zu Ökosystemen zu verstehen. Das Ziel ist es dabei, diese biologische Vielfalt auf genomischer Ebene zu dokumentieren, zu schützen und zu nutzen – damit wir noch morgen eine Welt haben, die artenreich und lebendig ist. Das Zentrum ist eine gemeinsame Forschungseinrichtung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, der Goethe-Universität Frankfurt, der Justus-Liebig-Universität Gießen, des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME, des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP und des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie. Finanziert wird es von der Hessischen Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE).
Mehr Informationen unter https://tbg.senckenberg.de/